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Trends im internationalen Store-Design

Seit der letzten EuroShop hat sich viel getan. Die Wirtschaftslage blieb in den Industriestaaten größtenteils angespannt und selbst die Schwellenmärkte erlebten Einbrüche ihres kometenhaften Wachstums, an das sich so viele unter uns schon gewöhnt hatten.

Allerdings kann man berechtigterweise sagen, dass schwere Zeiten auch als Katalysator für den Wandel wirken und die Kreativität fast immer am größten ist, wenn die Mittel knapp sind und der Finanzchef noch ernster drein blickt als üblich. In der Praxis bedeutet das, dass sich viel verändert hat und einige neue Trends entstanden sind, die man am Ende der letzten EuroShop im Februar 2011 eher nicht erwartet hätte.

Die wichtigste Entwicklung: Auf der Suche nach echten Anregungen schaut der Einzelhandel jetzt auch über den “Tellerrand” der unmittelbaren Konkurrenz hinaus. Zu wissen, was der direkte Wettbewerber vorhat, sollte sowieso für jeden Einzelhändler selbstverständlich sein. Die eigentliche Herausforderung, die sich als Trend quer durch alle Branchen zieht, scheint jedoch die Fähigkeit zu sein, in eine normalerweise nicht als Konkurrenz betrachtete Einzelhandelsbranche zu schauen und dort Ideen zu entdecken, die auch in einem offensichtlich völlig anderen Kontext funktionieren.

Das lässt sich beispielsweise bei solchen Einzelhändlern wie der Supermarktkette Tesco im Vereinigten Königreich beobachten. Dort hat man Abteilungen für Bekleidung eröffnet, die als unabhängiges Modegeschäft durchgehen könnten, oder Coffee-Shops, die man normalerweise eher im Londoner Viertel Soho oder vielleicht noch in Brooklyn in New York erwarten würde. Tesco hat tatsächlich über den „Supermarkthorizont“ hinausgeblickt und Bereiche entdeckt, die in ihren Stores funktionieren.
Ähnliches kann man auch im Bereich Pop-Up Stores beobachten, der weiter wächst und nicht, wie seit geraumer Zeit vorausgesagt, wieder verschwindet. Hier zeichnen sich zwei neue Trends ab: Zum einen Kooperationen, bei denen eine Marke ihr Angebot mit denen anderer Markenanbieter verschmelzt und so einen Ort schafft, an dem das „Ganze größer als die Summer seiner Teile“ ist. In London hat sich dieses Jahr Vitsoe, deren Kerngeschäft die Einrichtungskreationen von Designer Dieter Rams sind, mit Coleman Coffee Roasters und Four Corners Books zusammen getan. Das Ergebnis ist ein Temporary Shop, in dem sich alles ums Entspannen im Wohnzimmer dreht, wo Bücher, Kaffee, und modernes Mobiliar im Vordergrund stehen. Das ist ein typisches Beispiel für die derzeitige Entwicklung und dafür, wie Marken ihr Markenkapital gegenseitig aufwerten, um wirklich anziehende Räume zu schaffen.

Zum anderen, dass Pop-Up Stores zunehmend auch im hochwertigen Genre auftauchen. Eine Fläche spontan in der Hoffnung aufzumachen, dass Graffiti und grob behauenes Holz alleine Umsatz bringen,  reicht heute nicht mehr.
Dieser Trend ist omnipräsent – ob auf den Pariser Champs Elysees, wo eines der führenden Dufthäuser einen Pop-Store eingerichtet hat, der so schön war, dass er auch gut hätte stehen bleiben können, oder bei der italienischen Jeansmarke Diesel, die in diesem Jahr auf der Londoner Regent Street einen Laden für 3 Monate bezog. Der bestand aus einer Reihe von Gewächshäusern aus Farbglass oder Holz, die über die Ladenfläche verteilt waren und als mobile Displayvitrinen dienten. Auch dieses Pop-Up war nicht nur für sich interessant, sondern auch wegweisend für viele Modehändler: es zeigte wie auch ein begrenztes Budget teuer und semi-permanent wirken kann.  

Der letzte große Trend in Nordamerika und Europa ließe sich als “zurück in die Zukunft” bezeichnen. Es ist noch gar nicht so lange her, dass der Stern der QR-Codes am Einzelhandelsfirmament auftauchte – diese Codes würden angeblich alles wieder ins Lot und die Kunden in den stationären Handel zurück bringen.

Das Paradebeispiel dafür war ein “Demo-Store” in der U-Bahn von Seoul. Hier hatte Tesco einen virtuellen Shop eingerichtet, bestehend aus Produkt-Fotos mit jeweils einem QR-Code, den man beim Warten auf die Bahn einscannen und so seine Einkäufe erledigen konnte. Die Verbraucher waren happy, denn sie hatten den Weg zum Supermarkt gespart. Das Gleiche kann man noch immer in der U-Bahn von Barcelona bewundern, wo ein Sony Virtual Shop auf QR-Codes setzt, aber so gut wie nie genutzt wird. Es scheint so, dass Technik ohne Bedienung unattraktiv ist und nur im Gesamtpaket funktioniert.

Das bedeutet: Sie bewährt sich sicher als Teil des “Verkaufsapparates” Laden, aber ihre Nutzung als Absatztool per se scheint passé zu sein.  Stattdessen besinnen sich Einzelhändler wie HMV im Vereinigten Königreich auf ihr eigenes Erbe und nutzen dessen Designelemente, um eine Welle der Nostalgie loszutreten. Am HMV-Store auf der 363 Oxford Street in London wurde jetzt eine Retro-Fassade angebracht, die bei reiferen Kunden liebgewordene Erinnerungen weckt.

Dieser Trend dürfte sich durchsetzen, denn so können Einzelhändler ihren eigenen Fundus an alten Ladeneinrichtungen durchforsten und gleichzeitig die Technik nutzen, die heute in den meisten Einzelhandelsbereichen als Standard gilt. „Nostalgie ist auch nicht mehr das, was es mal war” heißt es ja scherzhaft, aber sie probt fleißig ihr Comeback. Als andere Konsequenz der Ladeneinrichtungen, die sich eher von der Vergangenheit als der Zukunft inspirieren lassen, wird wohl der reduzierte „White-Box“ Look in allen Variationen eher in den Hintergrund treten, auch wenn er wahrscheinlich nicht gänzlich verschwindet.

Geniale Ideen im Store treffen den Nerv des Verbrauchers und deshalb kommt die EuroShop 2014 zum richtigen Zeitpunkt: Hier kann man innovative Konzepte im direkten Dialog diskutieren und findet internationale Retail Lösungen zum Anfassen. Für viele Unternehmen wird die EuroShop eine wertvolle Inspirationsquelle auf dem Weg in eine erfolgreiche Zukunft sein.

Autor: John Ryan, Retail Journalist (UK)