Interview mit Norbert Grüger, Schauwerbegestalter und Buch-Autor
Norbert Grüger dekoriert Schaufenster für große und kleine Händler. Er ärgert sich über den Einheitsbrei in unseren Fußgängerzonen. Dies sieht er jedoch als Chance für den Einzelhandel, sich von den Filialisten abzuheben. Er macht Händlern Mut, eigene Ideen zu verwirklichen. Oft lohne sich die Hilfe eines Profis, denn Schaufenster sind die Visitenkarte und ein wichtiges Werbemedium.
Schaufenster sind die Visitenkarte des Ladens. Wie gefallen Ihnen unsere Fußgängerzonen?
Die starke Präsenz der Filialisten bestimmt das Erscheinungsbild unserer Fußgängerzonen und Einkaufspassagen. Durch die hohen Mieten wird der kleinere Einzelhändler immer mehr an den Rand gedrängt. Dies führt zu einem austauschbaren Bild unserer Innenstädte. Man muss sich schon manchmal sehr anstrengen, um zu wissen, in welcher Stadt man sich gerade befindet.
Hat das Schaufenster noch eine Zukunft?
Das Schaufenster hat immer noch die Funktion Aufmerksamkeit zu erzeugen. Die Nutzung hat sich allerdings im Laufe der Zeit verändert. Die Filialisten gehen fast alle von der Individualität weg, hin zur einheitlichen Präsentation, oder sie nutzen die Fensterfront nur noch als Durchsichtsbereich ins Ladenlokal. Hierin besteht für die anderen Geschäftsinhaber die Chance, in Form einer Schaufensterdekoration ihre Persönlichkeit und Individualität hervorzuheben und auf sich aufmerksam zu machen.
Was sind die häufigsten Fehler bei der Fenstergestaltung?
„Weniger ist mehr!“ – so heißt es und so wird es auch immer sein. Dieser Grundsatz hat sich in allen Bereichen der Werbung – ob Fernsehen, Printwerbung oder Schaufensterdekoration – im Laufe der Zeit durchgesetzt und bewahrheitet. Eine klare Linie führt schneller zum Ziel. Der größte Fehler ist immer wieder, auch noch den letzten Platz, die letzte Lücke im Schaufenster mit Ware zu füllen. Ein weiteres Übel ist die Platzierung der Ware und Dekorationsartikel ausschließlich auf dem Fensterboden. Das Schaufenster ist das einzige Medium in der Werbung, das eine dreidimensionale Wirkung ausüben kann. Das sollte auf jeden Fall berücksichtigt werden. Durch die Anordnung in verschiedenen Höhen und Tiefen wird ein optisch besseres Ergebnis erzielt.
Kleine oder große Händler: Wer nutzt ihre professionelle Hilfe?
Zu meinen Auftraggebern gehören verstärkt größere Händler und Firmen. Die Umsetzung von Werbekampagnen wird häufig zentral gesteuert und in kürzester Zeit bundesweit umgesetzt. Dazu braucht man ein Netzwerk mit Dekorationsfirmen, die flexibel und im Stande sind, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Aber auch der Einzelhändler nutzt meine Dienste. Hier wird die Kreativität des Dekorateurs gefordert. Je kleiner, umso individueller wird die Schaufensterdekoration auf das Geschäft zugeschnitten.
Ist der Schauwerbegestalter ein teurer Profi? Was kostet es, ein Geschäft mit, sagen wir, drei Fenstern, neun Meter breit, alle zwei Monate neu dekorieren zu lassen?
Die Kosten für eine Schaufensterdekoration setzen sich aus verschiedenen Faktoren zusammen: Wie sollen die Blickfänge beschaffen sein? Wie hoch ist der eigentliche Zeitaufwand? Vor- und Nacharbeiten, An- und Abfahrtswege etc. Durchschnittlich kann ich von meinen Erfahrungen ausgehen und in dieser Größenordnung einen Preis von ca. 800 Euro ansetzen. Dies umfasst zwei Tagessätze für den Aufwand inklusive Vor- und Nacharbeiten. Das ist jedoch nur ein grobes Beispiel.
Welche Umsatzsteigerungen sind mit guten Fenstern realistischerweise möglich?
Es spielen viele Faktoren eine Rolle: Liegt das Geschäft in einer Lauflage? Wird gleichzeitig eine Werbekampagne zum Beispiel mit Flyern und Anzeigen geschaltet? Wird eine Dienstleistung oder ein neues Produkt beworben? Wie Sie sehen können, greift das Eine in das Andere über und jedes Teil der Werbung hat seine Daseinsberechtigung und ergänzt das Ganze. So ist auch die Schaufensterdekoration als eine langfristige Werbemaßnahme zu sehen und nicht als kurzfristige Umsatzsteigerung.
Sie arbeiten auch für große Markenartikler und Pharmafirmen. Was kann der kleine Fachhandel von den Großen lernen?
Wichtig ist in meinen Augen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ein vernünftiges und abwechslungsreiches Werbekonzept zu erstellen. Die Umsetzung voraus zu planen und professionellen Ratschlag und Hilfe bei der Analyse des Standortes, des Erscheinungsbildes und des Gesamtauftritts in Anspruch zu nehmen.
Große Objekte als Blickfang oder viele Angebote ins Fenster: Bitte geben Sie ein paar Gestaltungstipps.
Eine Schaufensterdekoration sollte auf jeden Fall durch einen größeren Blickfang mit dem dazu passenden Werbeslogan gestaltet werden. Egal ob ich ein Angebot oder eine Themendekoration gestalte, Aufmerksamkeit und das daraus entstehende Interesse wecken ist die Devise. Das Ziel eines jeden Händlers sollte es sein, Passanten schon aus der Entfernung auf sein Schaufenster aufmerksam zu machen. Und das gelingt meist nur mit einem größeren Blickfang.
Wie kann man Elemente aus dem Schaufenster im Laden aufgreifen?
In Anlehnung an die aktuelle Schaufensterdekoration oder Werbeaktion sollte an präsenter Stelle im Innenraum zusätzlich das Thema noch einmal aufgegriffen werden. Nützlich sind dafür Deko-Podeste und Rückwandflächen. So entsteht nicht nur ein schöner Blickfang, sondern eine zusätzliche Abverkaufshilfe, die die Linie vom Außenbereich in den Innenraum fortführt und die Kunden so leiten kann, die beworbenen Produkte schneller zu finden. Mit ein wenig Aufwand, schaffen Sie so eine sich ständig verändernde Atmosphäre.
Gibt es Gestaltungs-Trends, zum Beispiel fürs nächste Weihnachtsgeschäft?
Ich persönlich orientiere mich selten an aktuellen Trends, gerade zur Weihnachtszeit. Viele verbinden mit diesem Fest persönliche Empfindungen und Erfahrungen, die sich auch oft in der Gestaltung der Dekoration spiegeln. Tradition in der Weihnachtszeit ist bei meinen Kunden stark vertreten. Der eine hat seine Krippe, die gestaltet werden soll, der andere seine Eisenbahn. Gerade letzteres ist ein unschlagbarer Anziehungsmagnet für Jung und Alt.
Neue Trends findet man in den einschlägigen Dekorationsfachgeschäften, online oder in deren Katalogen. Ein Besuch der Frankfurter Frühjahrs- oder Herbstmesse lohnt sich auch auf jeden Fall. Ich hingegen finde, jeder sollte für sich das Passende aussuchen und sich ganz von seinem Gefühl und Geschmack leiten lassen – Trend hin, Trend her.
Welche Location, welchen Laden würden Sie gern einmal dekorieren und was würden Sie dann zeigen?
Mein Wunsch ist es, einmal ein Reisebüro-Schaufenster zu dekorieren. Ein großes Fenster, nur mit etwas Sand und Muscheln ausgelegt, darüber schwebt eine große Ansichtskarte, auf der steht die Anschrift des Reisebüros und im Absender: „Der Dekorateur hat Urlaub!“
Interview: René Schellbach, iXtenso.com
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