Interview mit Eliseo Pavone, Vertriebsleiter Caddie DACH und Italien
Caddie aus Straßburg zählt sich zu den Marktführern bei Transportlösungen für Handel, Flughäfen, Hotellerie, Industrie und Krankenhäuser. Die Firma, die in über 100 Ländern aktiv ist, stellte auf der EuroShop neue Einkaufswagen mit abnehmbaren Stofftaschen vor und zeigte verschiedene Kunststoff-Wagen. Ist bald die Zeit der Metall-Einkaufswagen vorbei?
Caddie kommt aus Frankreich. Was ist dort anders in Sachen Einkaufswagen als in Deutschland?
Spontan fällt mir ein, dass wir in Frankreich vergleichsweise viele Einkaufswagen mit Scanner-Halterungen ausliefern. Das liegt am anders organisierten Lebensmittelhandel. So gibt es dort viel mehr Hypermärkte, die seit Jahren auf Self-Scanning setzen. In Frankreich haben die Einkaufswagen durchschnittlich größere Korbvolumen, sind tiefer und haben mehr Zubehör wie Trenngitter für Brot, Obst und Gemüse. Franzosen kaufen durchschnittlich seltener ein – dafür in größeren Mengen.
Wo sehen sie international das stärkste Wachstumspotenzial?
Die größten und ausbaufähigsten Märkte liegen in Osteuropa und in den boomenden Staaten wie Indien und China. Aufgrund mangelnder Präsenz ist für europäische Einkaufswagen-Hersteller der US-Markt noch interessant. Für Caddie zählt besonders Deutschland und der deutschsprachige Raum zu den Märkten mit dem größten Wachstumspotenzial. Deshalb entwickeln wir seit einigen Jahren speziell Modelle für den deutschen Markt. Für einige Modelle wurde sogar in neue, roboterisierte Fertigungsstraßen investiert – selbstverständlich aus Deutschland!
Wie groß sollte der Wagen sein?
Das Korbvolumen und Wagen-Modell anhand von Ladengröße auszusuchen, halte ich für veraltet. Selbstverständlich muss der Wagen hinsichtlich des Produktsortiments groß genug sein. Für viel wichtiger halte ich allerdings die Ergonomie des Wagens und die Fähigkeit, sich in das jeweilige Konzept einzugliedern. Kommt es auf Frische an, machen Wagen mit Multifächern oder Trenngittern Sinn. Im Non-Food-Bereich spielt ein großes Korbvolumen eine wichtige Rolle. Und für den kleinen Einkauf, wie ihn zum Beispiel Singles oder die Generation 65+ tätigt, sind Shopper ideal. Die Wahl des Einkaufswagens ist also immer im Gesamtkontext zu sehen, zu dem das Sortiment, die Zielgruppe und nicht zuletzt auch der Standort zählt.
Vor vielen Supermärkten und Discountern stehen ähnliche Wagen, die sich nur beim Logo am Griff unterscheiden. Wie können moderne Einkaufswagen zum Store Branding beitragen?
Das Branding am Griff ist sicherlich das auf den ersten Blick größte Unterscheidungsmerkmal. Man kann die Wagen jedoch auch über eine neue Farbe, über ergonomische und multifunktionale Griffe, über RFID und nicht zuletzt über einen einwandfreien Zustand und Sauberkeit differenzieren. Letzteres wird meiner Ansicht nach häufig unterschätzt.
Geht die Zeit der Metall-Einkaufswagen zu Ende?
Der klassische Drahtwagen gehört zum Handel und wird sicherlich auch in den nächsten zehn Jahren nicht verdrängt werden. Jedoch wird sich – wie bereits angesprochen – die Ergonomie der Wagen ändern. Und die Anzahl verschiedener Wagentypen pro Markt wird zunehmen, um die verschiedenen Zielgruppen optimal bedienen zu können. Hier wird Kundenberatung und Einbringung internationaler Erfahrung immer wichtiger. Kunststoff- oder besser Hybridwagen sind zurzeit in Mode. Dasselbe Phänomen gab es vor circa zehn Jahren in den USA. Dort waren den Händlern schlussendlich Kosten für Wartung und Reinigung zu hoch. Aus ökologischer Sicht ist der Drahtwagen darüber hinaus vollständig recyclebar. Caddie setzt weiterhin auf den Drahtwagen und entwickelt diesen weiter, beispielsweise mit neuen geräuschdämpfenden Elementen oder neuen Beschichtungen.
Was spricht für Kunststoff? Wo ist Metall überlegen?
Wie bei vielen Dingen ist es auch hier zunächst eine Frage des Geschmacks. Der Kunststoffwagen hebt sich aufgrund des Designs deutlich vom Drahtwagen ab. Auch wirkt die Oberfläche des Kunststoffkorbs flächiger, was die Farbe besser transportiert und den Wagen insgesamt auffälliger macht. Zu beachten ist, dass diese Oberfläche jedoch einer intensiveren Reinigung bedarf, da die größere Oberfläche dem Schmutz mehr Fläche bietet. Wer sich also für einen Kunststoffwagen entscheidet, sollte je nach Witterung zwei bis vier Reinigungen im Jahr einkalkulieren. In puncto Geräuschreduzierung können wir Drahtwagen mittlerweile durch Einsatz von Vollkunststoff-Gabeln und verschiedenen Dämpfern leiser liefern als Kunststoffwagen. Einige unserer Kunden setzen nur solche geräuscharmen Wagen ein.
Auf der EuroShop haben Sie einen Einkaufswagen mit Stofftaschen vorgestellt.
Wie funktioniert das System?
Nachdem wir maßgeblich am Siegeszug des Einkaufswagens in heutiger Form beteiligt waren, haben wir uns die Frage gestellt, wie der Einkaufswagen 2.0 aussehen könnte.
Ein modulares System, das kundenfreundlich ist und den ökonomischen und ökologischen Nutzen maximiert. Heraus kam unsere neue Wagengeneration „Wind“. Den Wind gibt es in drei verschiedenen Größen, um den Anforderungen der verschiedenen Märkte gerecht zu werden. Das Modell bietet aufgrund des speziellen Aufbaus Platz für größere Non-Food-Artikel, Kleinartikel, Getränkegebinde usw. Weiterhin können je nach Bedarf beim Wind „L“ bis zu fünf Kunststofftaschen über ein patentiertes System einfach eingehängt werden. Der Kunde kann Waren so bereits im Laden vorsortieren: Beispielsweise Gefrorenes in eine isolierte Tasche, Obst und Gemüse in eine andere usw. Da die Taschen dem Kunden gehören, haben wir kein Hygiene-Problem; der Kunde ist selbst verantwortlich. Im Vergleich zu Körben können Taschen, die geschlossen werden können, besser mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit Fahrrädern transportiert werden. Bei Körben wird es da schwerer.
Entstanden ist der Wind zunächst als Ergänzung von Einkaufswagen-Flotten. Wir empfehlen unseren Kunden je nach Konzept 20 bis 30 Prozent der Flotte durch den neuen Wind zu ersetzen. Wir werden Ende des Jahres mehr über Kundenreaktionen wissen. Wir sind gespannt…
Würde der Handel dafür zahlen oder die Kunden?
Der Endkunde hat die Möglichkeit, die Taschen zu kaufen. Für den Händler bedeutet das gleichzeitig, dass er so einen Teil des Preises über den Verkauf der Taschen refinanzieren kann. Ein anderer Ansatz ist, dass die Kunden die Taschen kostenlos erhalten, beispielsweise im Rahmen von Loyalty-Programmen. Alle Varianten sind möglich.
Können die Kunden die Tasche auch außerhalb des Ladens für andere Zwecke nutzen?
Es handelt sich um stabile Mehrwegtaschen, die selbstverständlich auch für andere Zwecke eingesetzt werden können. Man könnte beispielsweise über spezielle Halterungen für den Kofferraum nachdenken und man hätte gleichzeitig ein Transportsystem für das Auto und somit die Taschen immer griffbereit. Das Wind Modell „S“ besteht aus einem Gestell auf zwei Rollen für nur eine Tasche – ideal für Großstädte und ältere Zielgruppen.
Self-Scanning oder Displays am Wagen: Was wird nachgefragt und wann gibt es dies flächendeckend?
Self-Scanning hat sich bei unseren europäischen Nachbarn längst etabliert. Deutschland hinkt hier dem Trend hinterher. Insbesondere Displays sind stark im Kommen, also die Klassiker mit Werbeeinlegern. Auf der EuroShop haben wir einen Prototyp eines digitalen Displays vorgestellt mit Indoor-GPS. Bis der einmal durch den Laden rollt, wird es sicherlich noch einige Jahre dauern. Als mittelfristig realisierbar könnte ich mir spezielle Applikationen für Smartphones vorstellen.
Sehen Sie eine Bereitschaft der großen Ketten in Deutschland, die Marke in Sachen Einkaufswagen zu wechseln?
Bei vielen wird eine Zwei-Lieferanten Strategie gewünscht. Den Kunden geht es dabei vorrangig um die Mengenverteilung in Abhängigkeit von den einzelnen Stärken der Lieferanten. In Deutschland beliefern wir Kunden wie Praktiker, Aldi, Rewe Group, Norma, Edeka. Wir sind bei klassischen Einkaufswagen weltweit an Nummer zwei – also mehr als eine Alternative.
Welche Trends sehen Sie in den nächsten Jahren?
Der Wagen wird personalisierter. Der Wagen wird leiser werden. Hier arbeiten wir mit Hochdruck an neuen Lösungen. Die Nachhaltigkeit wird ein großes Thema. Aber auch die Individualisierung und Wiedererkennung der Händler.
Wie entwickelt sich die Nachfrage nach Service zur Wagen-Unterhaltung?
Wir sind glücklich, dass dieser Bereich wieder stärker im Kundenfokus steht. Der Trend geht zum ganzheitlichen Fleet-Management. Umsatzspitzen, also starke Zeiten wie Ostern oder Weihnachten, könnten bei einem intelligenten Fleet-Management über Reserveflotten unterstützt werden. Reparaturen und Wäsche vor Ort werden aus ökonomischen und ökologischen Gründen unwichtiger. Der Kunde möchte jederzeit saubere und funktionsfähige EKW zur Verfügung haben – im Idealfall in einem völlig transparenten System. Dank RFID und einer eigenständig entwickelten Software können wir jeden Wagen unabhängig vom Standort identifizieren. Das heißt: Alter, bisherige Reparaturen und Kosten, verschiedene Stationen. Unsere Kunden haben jederzeit Kosten im Überblick, Zugriff auf Statistiken und können durch das System sehr genau Jahresmengen budgetieren.
René Schellbach, iXtenso.com
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