Der Handel sollte die Kühlenergie weiter optimieren
Interview mit Jörg Straßburger, Leiter Gesamtvertrieb und Marketing, Epta Deutschland
Der Epta-Konzern mit Sitz in Mailand produziert Kühlmöbel und Kühlzellen bis hin zu Kälte- und Klimaanlagen. Die deutsche Tochter erreichte 2010 rund 80 Mio. Euro Umsatz – nicht nur mit dem Handel. Zu den Kunden gehören auch Mineralölgesellschaften, Logistikunternehmen und die Systemgastronomie. Vertriebs- und Marketing-Leiter Jörg Straßburger erklärt, welche Kühlanlagen sich für große und welche für kleine Lebensmittelmärkte eignen, was für CO₂ spricht und wo Kohlendioxid an Grenzen stößt. Und er zieht eine Messe-Bilanz nach der EuroShop 2011.
Kühlen ist teuer. Welche Trends sehen Sie in Sachen Energieeinsparung?
Bei der Lebensmittelkühlung lässt sich noch immer in vielen Bereichen Energie einsparen. So heben wir beispielsweise mit unserer Zero°-Technologie die Verdampfungstemperatur auf 0°C an. Bisher war für das Erreichen der entsprechenden Warentemperatur eine Verdampfungstemperatur im Luftkühler von -7°C bis -10°C erforderlich. Durch die Anhebung der Verdampfungstemperatur bei einer unveränderten Warenraumtemperatur von 2°C bis 4°C wird eine Energieeinsparung von 20 Prozent erzielt. Gleichzeitig muss das Kühlmöbel nicht mehr abgetaut werden.
Auch bei den herkömmlichen Kühlregalen für die Normalkühlung lässt sich der Energiebedarf weiter optimieren. Unsere neuen, nach UNI EN ISO 23953-2 zertifizierten Eco-Regale verfügen beispielsweise über eine verbesserte, auf die Glastüren abgestimmte Luftführung, was zu einem geringeren Energieverbrauch führt. Bei Türen mit einer Einfachverglasung kann der Verbrauch um bis zu 20 Prozent gegenüber Kühlmöbeln mit Nachtrollos gesenkt werden.
Weitere Einsparpotenziale lassen sich außerdem durch LED-Beleuchtung oder die Möglichkeit zur Lichtdimmung je nach Tageslichteinstrahlung verwirklichen. Hierdurch lässt sich der Energieverbrauch nochmals um bis zu 30 Prozent reduzieren. Außerdem ist mit 50.000 Betriebsstunden die Lebensdauer einer LED-Leuchte fast fünfmal so hoch wie bei einer Leuchtstoffröhre.
Wie viel Abwärme entsteht beim Kühlen und im TK-Segment? Lohnt sich die Nutzung fürs Heizen?
Die Nutzung lohnt sich, wenn die Verwendung der Abwärme umfassend in ein Gesamtgebäudekonzept integriert wird, das den Energieeinsatz im ganzen Markt regelt. Die Abwärme kann im Winter für die Beheizung des Gebäudes und zur Brauchwassererwärmung eingesetzt werden. Auch im Sommer ist eine Wassererhitzung auf diese Weise möglich. Je nach Anlagengestaltung ist das Effizienzpotenzial so hoch, dass sogar bei extremer Kälte zusätzliche Heizenergie gespart werden kann und eine weitere Heizanlage überflüssig wird.
Wie groß schätzen Sie das Einsparpotenzial im deutschen LEH ein, würde man alle Kühlanlagen sofort auf den neuesten technischen Stand bringen?
Das Einsparpotenzial liegt im zweistelligen Prozentbereich. Die genauen Werte lassen sich schwer beziffern, da derzeit unterschiedliche Lösungen am Markt sind.
Welche Kühlanlagen empfehlen Sie für große Märkte und was lohnt sich für den kleinen Händler um die Ecke?
Als besonders energieeffiziente und wirksame Kälteanlagen bieten sich derzeit die CO₂/R134a-Kaskade und die transkritische CO₂-Anlage an. Bei der Kaskade kommt CO₂ nur in der Tiefkühlung zum Einsatz. Bei der transkritischen CO₂-Anlage wird es in der Tief- und Normalkühlung verwendet. Solche Kälteanlagen sind bereits in verschiedenen deutschen Lebensmittelmärkten in Betrieb, beispielsweise in den Filialen von Aldi Süd und Edeka.
Was spricht für Kaskade-Kühlung?
Die Kaskade-Kälteanlage bietet einen günstigen Einstieg in die CO₂-Technik und ist immer dann sinnvoll, wenn ein entsprechend großer Tiefkühlbereich zu versorgen ist. Im Vergleich zu herkömmlichen Kälteanlagen mit dem Kältemittel R404A können Marktbetreiber mit der Kaskade etwa sieben Prozent Energie einsparen. Die Anlage stellt gerade für kleinere Märkte durch ihre energetische Leistung, die geringeren Anschaffungskosten sowie die Implementierung ohne lange Vorlaufzeiten und die kurze Amortisationszeit einen kostengünstigen Einstieg in die nachhaltige Lebensmittelkühlung dar.
Transkritische Anlagen sind dann eher für große Märkte sinnvoll?
Die transkritische CO₂-Anlage ist die Anlagenform, bei der zu 100 Prozent das natürliche Kältemittel CO₂ zum Einsatz kommt. Sie empfiehlt sich durch ihre Komplexität und Leistungsfähigkeit in der Tat eher für größere Märkte ab 1.500 m² mit einem Kältebedarf von rund 100 kW. Aufgrund der höheren Druckverhältnisse in dem System müssen Spezialkomponenten eingesetzt werden. Dies macht die gesamte Installation aufwändiger. Gleichzeitig können Marktbetreiber von Förderungen des Bundes profitieren, wenn der Stromverbrauch bei Neuinvestitionen nachweislich um 35 Prozent reduziert werden kann.
CO₂ als Kältemittel war ein wichtiges Thema auf der EuroShop. Was spricht für CO₂? Wo sind andere Kältemittel überlegen?
Das natürliche Kältemittel CO₂ ist nicht entflammbar. Es trägt darüber hinaus nicht zum Ozonabbau bei und hat im Vergleich zu herkömmlichen Kältemitteln einen vernachlässigbaren Treibhauseffekt. Dies ist ein großer Pluspunkt für die Umweltverträglichkeit. Außerdem hat CO₂ eine hohe volumetrische Kälteleistung bei guter Wärmeübertragung, und ein Druckverlust in den Rohrleitungen einer entsprechenden Kälteanlage hat nur geringe Temperaturabfälle zur Folge. Im Gegensatz zu anderen Kältemitteln stellt CO₂ jedoch auch besondere Anforderungen an das Konzept der Kälteanlage. So steigt der Druck von Kohlendioxid ab einem kritischen Punkt, der bei einer Temperatur von 31°C erreicht wird, auf 80 bis 100 bar an und die Arbeitsweise der Wärmeabgabe verändert sich. Dies gilt es, bei der Konzeption von Kälteanlagen zu berücksichtigen.
Im Januar 2010 haben Sie den ersten Markt mit einer neuen Kältetechnik ausgestattet, welcher mit Null Grad als Verdampfungstemperatur fürs Kühlmittel auskommt. Wie sind die Erfahrungen nach knapp über einem Jahr?
Wir haben die sogenannte Zero°-Technologie in mehreren Supermärkten im Einsatz. Besonders hervorzuheben sind die Märkte Fegro Selgros Cash & Carry in Eschborn bei Frankfurt und der Edeka Aktiv-Markt in Ladenburg bei Mannheim. Die Betriebserfahrung mit der Zero°-Technologie ist überaus positiv. Der Energieverbrauch in Eschborn, wo 98 Meter der neuen Kühlregale in Betrieb sind, konnte um 25.500 kWh gesenkt werden. Der Edeka-Markt in Ladenburg kommt mit rund 14 Metern auf 3.000 kWh weniger pro Jahr. Die Amortisationszeit der neuen Technologie liegt bei zwei bis drei Jahren. Die Investition hat sich also für die Einzelhändler gelohnt.
Wie schätzen Sie die Investitionsbereitschaft des deutschen Handels in Sachen Umwelt ein – verglichen mit anderen Absatzländern?
Wir sehen in Deutschland eine sehr starke Investitionsbereitschaft in nachhaltige Lösungen, auch im Vergleich zu anderen Ländern, in denen unsere Kühlmöbel eingesetzt werden. Ursache hierfür sind vor allem die steigenden Energiekosten. So hat die aktuelle Studie des EHI Retail Instituts „Energiemanagement im Einzelhandel 2010" ergeben, dass 63 Prozent der Handelsunternehmen im vergangenen Jahr um bis zu zehn Prozent mehr für Energie ausgeben mussten. Im LEH schlägt die Kühlung mit 44 Prozent bei den Stromkosten zu Buche. Daher sind 80 Prozent der Befragten Unternehmen bereit, künftig verstärkt in energieeffiziente Kühlsysteme und Anlagen zu investieren. Auch bei der Verbreitung von nachhaltigen Systemen ist Deutschland führend. Andere Absatzmärkte beginnen derzeit erst mit der Implementierung solcher Lösungen.
Welche Messe-Bilanz ziehen Sie nach der EuroShop 2011?
Wir blicken auf eine besonders erfolgreiche EuroShop zurück. Unser Stand war an allen Tagen sehr gut besucht, sowohl durch deutsche Kunden und Interessenten als auch durch internationale Gäste, was uns als weltweit aktives Unternehmen natürlich besonders gefreut hat. Auch auf der Messe standen vor allem die Themen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit im Mittelpunkt. Außerdem waren alle Kühlmöbel unserer Marken Costan und Bonnet Névé, die wir auf der EuroShop vorgestellt haben, mit dem neuen Energieeffizienz-Label von Eurovent zertifiziert und gekennzeichnet. Die Standbesucher haben diese Kennzeichnung des unabhängigen Prüfungsinstituts positiv aufgenommen, da wir ihnen als einer von wenigen Anbietern eine wirkliche Hilfestellung bei der Wahl der geeigneten Technologie bieten. Ein weiteres Highlight am Stand waren unsere optisch sehr außergewöhnlich konzipierten Eurocryor-Bedientheken, die sich speziell für Fachgeschäfte wie Feinkostläden, den Biohandel oder Metzgereien eignen und viel Aufmerksamkeit am Stand erregten.
Interview: René Schellbach, EuroShop.de
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