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Die Lichter der Stadt sind mehr als Werbung

© Schellbach

„Downtown“ ist da, wo die Lichter heller leuchten. „You can forget all your troubles, forget all your cares“, singt Petula Clark. Der Song von 1964 ist heute aktueller denn je. Die Einkaufsmetropolen leben von ihrer leuchtenden Lichtreklame. Schneller als die Fassaden neu gestrichen werden konnten, brachte die Wiedervereinigung neue Schilder in die ostdeutschen Innenstädte. Aber immer wieder gibt es auch Streit um die Schilder.

„Werbeanlagen“ heißen die Schilder bei den Juristen. Und oft sind sie ein Fall für Juristen. Händler und Plakataufsteller klagen gegen Städte und Gemeinden. Beispiel Bad Tölz: Der Optiker Robert Emberger durfte 2009 keine satinierte Glasplatte mit Schriftzug als Firmenschild für sein Filiale in der Marktstraße verwenden, entschied das Verwaltungsgericht.
Eine Glasscheibe entspreche nicht der Werbeanlagen-Satzung. Der Vorsitzende Richter wies auf den Denkmalcharakter des Hauses hin und folgte der Argumentation der Stadt.

Das ist kein Einzelfall. Gerade in historischen Innenstädten hat der Handel eine besondere Verantwortung für das Stadtbild. Einerseits sorgen die Händler für Leben in den Einkaufsstraßen – und damit für kommunale Steuereinnahmen. Andererseits sollen sie sich nicht zu sehr in den Vordergrund rücken. Der Streit beginnt vielerorts bereits beim Umbau alter Häuser. Deckenhöhen und Fensterbreiten von Gebäuden unter Denkmalschutz passen nicht zu den Erfordernissen für das moderne Einkaufen. Wurden in den siebziger Jahren noch große Glasfronten und Entkernungen genehmigt, ist man heute wesentlich sensibler. Einige Händler haben zudem erkannt, dass sie sich mit eigenwilligen Läden von der Uniformität vieler Fußgängerzonen abheben können.

Schilder-Vorschriften haben Tradition

Was erlaubt ist und was nicht, das wird nicht erst seit heute geregelt. In vielen Städten hatten über Jahrhunderte die Zünfte das Sagen. Sie legten auch fest, welcher Handwerker wie für sich werben durfte. Aus dieser Zeit stammen die alten Zunftzeichen, die als Ausleger oder Nasenschild an den Häusern angebracht wurden. Mario Döhring, Geschäftsführer von werbeland, schätzt die alten Ausleger sehr. Obwohl seine Verbundgruppe mit Schildern und Beschriftungen ihr Geld verdient, sagt er im EuroShop-Interview, er sei froh, dass die Städte nicht jeden Wildwuchs zulassen.

 
 

© Schellbach

Ausleger oder Nasenschilder sind ein Gattungsbegriff für Schilder, deren „Gesicht“ senkrecht zur Fassade steht. Sie werden besonders gut wahrgenommen, wenn die Richtung des Passantenstroms quer zur Fassade verläuft, sagt Döhring. „Ausleger gibt es heute von der klassischen Lichtwerbung bis hin zu Banner-Spannsystemen“, betont er. Selbstleuchtend oder angestrahlt – vieles ist heute möglich. Einen klaren Trend gibt es nicht.

Kleine Schilder – große Schilder

Fassadenschilder sind nur ein Teil der Beschilderung im Handel. Auch wenn es der ein oder andere Händler nicht so gern hören wird: Die Angebote vieler Händler und Marken haben sich derart angeglichen, dass der Kunde im Geschäft oft gar nicht mehr weiß, bei wem er gerade ist. Deshalb sind Händler dazu übergegangen, ihr Logo auf Wegweisern und Displays zu zeigen. Übertreiben sollte man das natürlich nicht, aber auf den Namensschildern der Mitarbeiter ist es am rechten Platz. Bewährt haben sich Namensschilder mit farbigem Logo, die man selbst mit den Namen der Mitarbeiter versieht. Dafür bieten die Hersteller perforierte Einleger an, die man in der Filiale selbst bedrucken kann. Im zweiten EuroShop-Interview zum Fokus-Thema Schilder gibt Angela Klimmek, Marketing-Leiterin bei badgepoint, wertvolle Tipps zur Auswahl und Anwendung von Namensschildern.

Schilder ganz klein – oder riesengroß. Die größten Werbeanlagen gibt es in den Gewerbegebieten. Insbesondere neben Autobahnen kommt es auf Fernwirkung an. Kreativität ist weniger gefragt, sagt Mario Döhring. Eine relativ neue Entwicklung sind so genannte Skybeamer, große Scheinwerfer, die werbend in den Himmel strahlen. Kritiker sprechen nicht nur hier von „Lichtverschmutzung“. Den Begriff verwenden Astronomen, um zu beschreiben, dass über den Städten in sternenklaren Nächten wegen all der Lichter kaum noch Sterne zu erkennen sind.

Unter der Lichtverschmutzung leiden auch Vögel und Insekten. Damit sieht sich der Handel nicht nur dem Denkmalschutz gegenüber, sondern auch den Naturschützern. Und dazu kommt noch der Umweltschutz, der Vorwurf nämlich, mit Lichtreklame viel zu viel Energie zu verbrauchen. Der Umstieg von Leuchtstoffröhren auf energiesparende LEDs dient damit nicht nur der eigenen Kostensenkung, sondern auch dem sauberen Image. Freilich sieht der Laie kaum, welche Leuchtmittel in den Werbeanlagen stecken.

 
 

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Schilder sorgen für urbanes Lebensgefühl

Las Vegas oder das Oktoberfest wären ohne Lichter undenkbar. Das urbane Lebensgefühl von „Downtown“ hängt ab von immer wieder neuen Ideen der Werbetechniker. Weniger kann dabei jedoch mehr sein, denn wenn die Opposition erst einmal Emotionen schürt und schärfere Gesetze fordert, dann schießen Politiker rasch über das Ziel hinaus. Und dass es nicht nur vermeintliche Provinzpolitiker sind, zeigt die bayrische Landeshauptstadt München. Hier stritt man 2010 um einen drehbaren Stern auf dem Hochhaus der Mercedes-Niederlassung. Stadt-Anwalt Otto Gaßner versicherte vor Gericht immer wieder, dass es 30 Jahre Verwaltungspraxis sei, Dach-Werbeanlagen zu verhindern, berichtete die Süddeutsche Zeitung.

Mercedes-Anwalt Peter Gauweiler stellte acht Beweisanträge, dass diese Behauptung falsch sei und sprach von Willkür. Der Stern ist noch immer auf dem Dach.

1964 sang Petula Clark über die Lichter der Stadt. Und „Lichter der Stadt“ heißt der aktuelle Song von Unheilig. „Ich nehme mir die Zeit, auf die Lichter der Stadt zu sehen. Hier fühle ich mich frei.“ So heißt es im Liedtext. Die Lichter der Stadt sind mehr als Werbung – sie sind ein Lebensgefühl. Und dafür bereitet der Handel einen großen Teil der Bühne.

René Schellbach, EuroShop.de

02.11.2012