Auferstanden nach der Krise, wirft der Handel jetzt wieder einen optimistischen Blick in die Zukunft. Aber wer heute investieren will, möchte nicht nur wissen, was morgen gefragt ist. Neue Shop-Ausstattung – sei es Ladenbau oder neue Technik – das ist oft eine Investition für die nächsten zehn, fünfzehn Jahre. Wie also sieht er aus, der Handel im Jahr 2020? Wir beleuchten einige wichtige Entwicklungen.
Manche Trends werden bereits heiß diskutiert: Die Gesellschaft wird immer älter, das grüne Bewusstsein wächst, das Volksvermögen ist ungleicher verteilt, der Mittelstand wird kleiner. Doch was wird prägend sein für die Zukunft? Gewiss ist eines: Es gibt nicht den einen, alles beherrschenden Mega-Trend. Und längst nicht alles in den nächsten zehn Jahren ist vorhersehbar – wie auch in den letzten zehn Jahren. Der 11. September 2001, der Anschlag auf das World Trade Center, wurde zur tiefen Zäsur im Bewusstsein vieler Menschen. Trendforscher glaubten sogar, danach eine Entwicklung hin zur Häuslichkeit ausmachen zu können, zum Rückzug ins Vertraute, Familiäre. Ob die rauchenden Trümmer von New York dafür die maßgebliche Ursache waren, ist jedoch schwer zu ergründen.
Wetter und Ereignisse beeinflussen die Kunden
Der Trendforscher Matthias Horx sprach, angeregt von Forschern aus den USA, in den Neunzigern von „Cocooning“. Die Menschen würden sich in ihren häuslichen Kokon einspinnen, das eigene Wohnen aufwerten. In Wikipedia ist nachzulesen, dass es dieses Lebensgefühl unter dem Begriff „Cosy Home“ schon vorher gab. Trendforschung, so kann man schließen, ist zwar ein Seismograph für mögliche künftige Entwicklungen, aber eine klare Vorhersage ist sie nicht.
Ein kalter Winter, ein verregneter Sommer, die Euphorie zur Fußball-WM oder nach dem Sieg beim European Song Contest – all das kann für Umsatz sorgen oder diesen verhindern. Sollte Deutschland mit seiner Olympia-Bewerbung 2018 Erfolg haben, wird der Handel schon lange vorher das Thema antizipieren, wie auch in London 2012. Regenschirm oder Sonnencreme? Der Handel beobachtet daher am besten sowohl die kurzfristigen Ereignisse wie auch den langfristigen gesellschaftlichen Wandel,
Ältere Zielgruppe und grüne Sehnsucht
Die Geschäfte müssen sich den Bedürfnissen der Älteren anpassen. Obwohl oft gesagt, ist dies noch längst nicht überall im Handel zur Realität geworden. Breite Gänge, gute Beleuchtung, größere Schilder sorgen nicht nur bei den Älteren für Übersicht. Das ist wichtig, denn Läden speziell für Senioren haben es schwer, schließlich wollen wir alle älter werden, aber alt sein will niemand. Die Älteren werden zur immer wichtigeren Zielgruppe, haben sie doch so viel Kaufkraft wie noch nie in der Geschichte Deutschlands. Freilich ist dieses Vermögen sehr ungleich verteilt: Der luxuriöse Kreuzfahrttourismus boomt, die Tafeln, die auch für Menschen in Altersarmut immer wichtiger werden, ebenfalls.
„Stuttgart 21“ und die Atom-Debatte rund um die Castor-Transporte haben grünen Themen in den letzten Monaten einen fulminanten Auftrieb gegeben. Dabei hatte Grün im Handel schon vorher Konjunktur. Schlagzeilen machten grüne Supermärkte, etwa von Rewe in Berlin oder von Spar in Österreich. Solche Gebäude werden möglichst CO2-neutral gebaut und betrieben. LED-Beleuchtung soll die Stromkosten senken. Im Supply-Chain-Management diskutiert man über neue Wege in der Logistik, vom Containerschiff mit Segelantrieb bis zu Alternativen in der City-Logistik. Die Kühlkette wird umweltbewusst, mit neuen Kühlmitteln und Kühllastern mit alternativen Antrieben.
Bio-Lebensmittel sind auf breiter Front sogar bei den Discountern in die Regale gekommen. Der Handel wird investieren müssen in das Vertrauen der Verbraucher. Die Vielzahl der Bio-Siegel sorgt eher für Verwirrung. Neue Technik könnte dem Handel helfen, die Lieferkette besser zu dokumentieren. Mittels RFID könnte man einzelne Chargen zurückverfolgen und bei Rückrufaktionen rasch aus dem Verkehr ziehen.
Internet und Großmärkte bedrängen den Mittelstand
Die Verbraucher entwickeln eine immer stärkere Sehnsucht nach regionaler Herkunft – gegen den europaweiten Lkw- und den weltweiten Container-Verkehr. Damit entstehen neue Chancen für regionale Händler, die sich spezialisieren und gute Beratung bieten. Ein Selbstläufer ist auch das nicht, denn das Internet wird zum globalen Shopping-Center. Preise werden leichter vergleichbar. Schon klagt der Fachhandel über „Beratungsdiebstahl“, über Menschen, die in den Laden kommen, sich ausführlich beraten lassen – aber dann im Web kaufen.
Viele Kommunen sehen sich vor dem Aussterben ihrer Innenstädte, freilich mitverschuldet durch die eigenen Bürgermeister, Gemeinderäte, durch Landes- und Bundespolitiker. Denn sie ebneten in den neunziger Jahren neuen großen Gewerbegebieten auf der grünen Wiese den Weg – nicht nur in den neuen Ländern, wo in den Citylagen nach der Wiedervereinigung durch ungeklärte Eigentumsverhältnisse lange Jahre zunächst wenig investiert werden konnte. Neue Shopping-Center mit großem Einzugsgebiet und riesige Fachmärkte, die alteingesessenen Familienbetrieben das Wasser abgraben, schossen auch im Westen aus dem Boden.
Im deutschen Handel bahnt sich die große Konsolidierung an, denn seit 1991 sind die Umsätze kaum gestiegen, die Verkaufsflächen jedoch um rund 40 Prozent. Der Niedergang von Hertie, Karstadt und Quelle – das war nur der Anfang. Weniger Schlagzeilen machen alteingesessene Familienbetriebe in den Innenstädten, die nach Jahrzehnten schließen, weil sie mit den Billigläden nicht mehr mithalten können, weil sie für die nächste Generation keine Perspektive mehr versprechen. Allerdings haben viele der davon betroffenen Familienbetriebe in den letzten Jahren wenig unternommen, um ihren Kunden Neues zu bieten. Trends setzen die Metropolen mit ihren Flagship-Stores und Marken-Shops. Trends setzen auch die europäischen Leitmessen EuroCIS und EuroShop.
René Schellbach, EuroShop.de
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