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Ladengestaltung wird Teil des Multi-Channel-Marketings

©  Gruschwitz

Interview mit Wolfgang Gruschwitz, Design- & Realisierungsbüro Gruschwitz, München

Der Bauingenieur Wolfgang Gruschwitz ist nicht nur ein Zahlenmensch. Teile seines Studiums absolvierte er in den USA und Großbritannien und arbeitete sich ein in die Welt der Verkaufsförderung. Seit 2003 führt er sein eigenes Unternehmen; etwa die Hälfte der 30 Angestellten arbeitet in seinem Büro in Moskau. Gruschwitz, Jahrgang 1961, gestaltet auch Büroräume, Kliniken oder Privathäuser, die Ladenarchitektur sieht er jedoch als spannenden Trendgeber. Zu seinen Kunden zählen u.a. der FC Bayern München, Red Bull, Mango und Zara.

Was reizt Sie an der Ladengestaltung?

Die Ladenarchitektur im Einzelhandel ist weit mehr als die bloße Ausstattung mit Möbeln, auch mehr als die Komposition von Licht, Boden, Decke, oder der Einsatz von Materialien. Heute müssen wir unbewusste Faktoren mit ins Spiel bringen. Es müssen die Sinne angesprochen werden, um den Kunden je nach Ware und Zielsetzung zu verzaubern.

Der Schlüssel liegt im Spiel mit den Gefühlen und in der Vermittlung einer authentischen und interessanten Geschichte – das so genannte „story telling“. Es geht darum, den Kunden emotional zu berühren: Seine Neugierde wecken, Identifikation schaffen und ihn schließlich zum Fan machen.

 
 

© Hasanova Nelya

Da Online- und Offline-Welten immer mehr verschmelzen – Stichwort „Clicks Meet Bricks“ – wird es in Zukunft immer wichtiger, dem Kunden an sämtlichen Schnittstellen immer dasselbe Gesicht zu zeigen. Eine optimale Multi-Channel-Strategie kombiniert Warenvielfalt, Warenkompetenz und Warenplatzierung sowie das haptische Erleben der realen Welt mit der Bequemlichkeit, Transparenz und Verfügbarkeit der virtuellen Welt.

Die Ladenbau-Unternehmen bieten alles aus einer Hand, von der Planung bis zum Aufbau. Warum sollte man die Aufgaben trennen?

Generell lassen sich für beides Argumente finden. Entscheidend ist das Ziel, das man verfolgt. Aus rein kreativen Aspekten ist es natürlich optimal, das Design völlig losgelöst von der Produktion zu betrachten. Konstruktive Parameter machen den Geist automatisch befangen und können damit innovative, revolutionäre Ideen von vornherein blockieren.

Gerade im Laden-Design sind die Halbwertszeiten viel kürzer geworden. Um neue Trends zu setzen, benötigt man Fachleute, die sich auch branchenübergreifend inspirieren lassen.

Betrachtet man dagegen die Umsetzung, ist es natürlich wirtschaftlicher und bequemer, beide Bereiche – Planung und Realisierung – als Einheit zu betrachten, schon allein aus Gründen der Kostenoptimierung.

Generell ist eine gewisse Flexibilität und Kommunikationsbereitschaft zwischen Designer und Umsetzer im Interesse des Kunden. Dies trifft umso mehr zu, wenn es sich um Länder handelt, die mit Streuverlusten und Qualitätsproblemen zu kämpfen haben, wie zum Beispiel die BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.

Was sind aus Ihrer Sicht die häufigsten Fehler in der Shop-Gestaltung?

Ich sehe häufig eine Uniformität und die Verwässerung der eigenen Geschichte und Identität. Mir fehlt oft ein auf das Gesamtkonzept abgestimmtes Lichtdesign. Und ich sehe häufig kein ausgewogenes Verhältnis zwischen Orientierung und Entdecken: Zu viel Ware oder zu große Flächen führen oft zu Stress, Ermüdung und Frust; zu viel Ordnung wirkt dagegen schnell eintönig und damit langweilig.

Wie mutig sind die deutschen Händler im Vergleich zum Ausland, was neue Wege in der Laden-Dramaturgie betrifft? Bringen Ketten aus dem Ausland neue Impulse nach Deutschland? Oder wird international alles immer ähnlicher?

Erfolgreiche internationale Ketten wie Hollister, Bershka, Zara oder Desigual, die sich mittlerweile auch in Deutschland etabliert haben, vermitteln eine spannende Story. Im Laden wird diese Geschichte mutig und konsequent mit einem farbenfrohen, unbekümmerten und konventionslosen Design in Szene gesetzt.

 
 

©  XL – Photodesign

Dass Shop-Konzepte über Ländergrenzen hinweg funktionieren können, ist Ausdruck unserer global vernetzten Welt, der sich angleichenden Wahrnehmungen und Leitvorstellungen. Regionale und lokale Einflüsse werden natürlich weiterhin wichtig bleiben, denn ein optimaler Verkaufsraum ist stets spannend und vertraut zugleich.

Desigual oder Globetrotter machen erfolgreich vor, wie man das Besondere betonen kann: Sie integrieren in ihre Läden bewusst die Architektur des Hauses und schaffen damit Individualität. Jeder Shop sieht somit anders aus und wird trotzdem wiedererkannt. Das bringt natürlich auch Spaß für die immer mobiler werdenden Kunden, die in den verschiedensten Städten „ihre“ Läden ansteuern, in gewohntem Ambiente einkaufen – und trotzdem immer wieder etwas Neues entdecken können.

Aber auch regionale und lokale Stores werden sich in der Zukunft durchsetzen können – solange sie sich authentisch und nachhaltig bei ihrer Zielgruppe platzieren. Firmen wie Apropos oder die Lebensmittelhändler Kochhaus und Oschätzchen, die mit einem sehr individuellen Design ihre Kunden begeistern, sind nur einige Beispiele. Unser Markt ist sehr umkämpft, von einheimischen und internationalen Firmen. Am Ende werden sich diejenigen behaupten, die ihre Geschichte am glaubwürdigsten inszenieren.

Sie arbeiten für Filialisten und inhabergeführte Handelsunternehmen. Was ist leichter, was spannender – und warum?

Beides macht Spaß und hat seinen Reiz. Bei einem inhabergeführten Unternehmen bestehen meist kürzere Entscheidungswege, man hat oft unmittelbar mit dem Eigentümer oder dem Nachfolger zu tun, kann seine Ideen persönlich vorstellen und bekommt direktes Feedback. Dies kann die Arbeit recht dynamisch gestalten. Für Filialisten sind wir international tätig – hier ist es natürlich besonders spannend, ein in der Regel perfektes Designkonzept auf die Gegebenheiten in den unterschiedlichen Ländermärkten erfolgreich anzupassen.

Neuerdings spricht man immer öfter von Showroom statt Laden. Darin stehen viel weniger Produkte. Ist das Verkaufen nicht mehr im Mittelpunkt?

Im Showroom steht der Verkauf noch viel mehr im Mittelpunkt als in einem Laden, denn bei der Zielgruppe eines Showrooms handelt es sich um Einkäufer – und die möchten natürlich nur die neuesten und besten Trends vorgestellt bekommen und ordern.

Natürlich wird der Verkaufsraum des klassischen Ladens weiter existent bleiben, doch die Art des Verkaufens wird immer mehr der eines Showrooms gleichen. Der moderne Kunde ist bequem: Bis auf eine Kleinigkeit, die an das schöne Einkaufserlebnis erinnert und sofort soziale Anerkennung generiert, möchte man nicht all seine Einkäufe mit sich herumschleppen. Es soll vielmehr direkt nach Hause geliefert werden. Das macht das Online-Shopping so beliebt. Im Laden dagegen steht das persönliche Beratungsgespräch und vor allem das haptische Erleben im Vordergrund – all das, was sich eben nicht online erledigen lässt. Wie schon zu Beginn unseres Gesprächs gesagt, sind Multi-Channel-Strategien mit einem integrativen Ansatz hier auf dem Vormarsch.

 
 

©   XL – Photodesign


Natürliche Materialien sind seit Jahren ein Renner in der Ladengestaltung. Ist das nur oberflächlich oder ein tatsächliches Umdenken im Handel?

Nachhaltigkeit lässt sich nicht mehr als kurzlebiger Trend stilisieren. Nein, hier handelt es sich schon um eine gesellschaftliche Grundhaltung. Vertrauen, Transparenz und Authentizität sind dem Verbraucher heute wichtiger denn je. Nachhaltiger Ladenbau muss drei Aspekte einbeziehen: Material, Licht und das Visual Merchandising. Nachhaltige Materialien zeichnen sich aus durch hohe Qualität, Langlebigkeit, abgerundete, organische Formen, Erdtöne und ein klares, klassisches Design. Zum Einsatz kommen hier überwiegend Stein, Glas, naturbelassenes Holz, Stahl, Eisen, Leder, Kork, Filz, Leinen und Wolle. Neben ihrer Nachhaltigkeit überzeugen diese Materialien durch ihre Optik. Sie schaffen Emotionen und somit eine Wohlfühlatmosphäre. Ein Beispiel ist der Geruch von unbehandeltem Holz. Aber auch ovale Formen – zum Beispiel Kieselsteine – und Erdtöne werden mit Geborgenheit assoziiert.

Im April halten Sie einen Vortrag über „Ladenbau und Store Design im Discount“. Wollen die Discounter nicht mehr billig aussehen? Geht das Preis-Image bei den Kunden verloren, wenn man die Märkte rausputzt?

Selbstverständlich haben die Kunden eines Department-Stores andere Erwartungen und Bedürfnisse als im Discount. Doch auch im Discount geht es darum, die entsprechende Geschichte herauszuarbeiten, sowie diese klar und authentisch darzustellen. Der moderne Kunde ist mobil und vergleicht. Eine reine Fokussierung auf das Produkt beziehungsweise den Preis greift viel zu kurz, ist zu aggressiv und außerdem zu vorhersehbar. Um die immer verwöhnteren und anspruchsvoller werdenden Konsumenten dauerhaft für sich zu gewinnen und zu begeistern, gilt es sich als einzigartig im Kopf Ihrer Klientel zu verankern. Natürlich muss das Ladendesign zu der jeweiligen Erwartungshaltung der Kunden passen – sonst verliert man seine Glaubwürdigkeit.

Wie verändert Multi-Channel-Marketing die Ladengestaltung

Die Herausforderung der Zukunft ist es, dem Kunden in einem vernetzten Ansatz eine perfekt abgestimmte Mischung aus den zur Verfügung stehenden online und offline Kommunikations-Elementen anzubieten. Virtuell und real verschmelzen zu viral; global und lokal zu glokal. Eine integrative Sichtweise kombiniert zudem die Mittel der nonverbalen Kommunikation, also Ladenbau und Design, mit dem verbalen Verkauf, denn die Rolle von gut geschultem Personal ist als Teil der Inszenierung heute wichtiger denn je und darf bei aller Hightech keineswegs unterschätzt werden.

René Schellbach, EuroShop.de

01.02.2012

 
 

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