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"Ohne funktionierenden Stoffkreislauf geht es nicht"

© Deutsches Verpackungsinstitut e.V.

Winfired Batzke: "Wenn Verbraucher Produkte in entsprechenden Verpackungen nachfragen und kaufen, lohnt sich das für den Handel immer."

In den vergangenen Jahren nahm der Einsatz von Biokunststoffen beständig zu: Von 180.000 Tonnen im Jahr 2008 auf 724.000 im Jahr 2010.Der Branchenverband European Bioplastics schätzt, dass im Jahr 2015 weltweit 1,7 Millionen Tonnen produziert werden. Biokunststoffe werden gerne als Heilsbringer der Verpackungsbranche angesehen, fristen aber immer noch ein Nischendasein trotz vielversprechender Ansätze. Winfried Batzke, Geschäftsführer des Deutschen Verpackungsinstituts, zeigt im Interview Stärken und Schwächen der Biokunststoffe auf.

„Biokompatibel, biologisch abbaubar, erneuerbare, nachwachsende Rohstoffe“: das sind die neuen Schlagworte. Welche Unterschiede bestehen zwischen diesen?

Nachwachsende, erneuerbare Rohstoffe sind Materialien, die aus der landwirtschaftlichen oder forstlichen Produktion stammen.
Biologisch abbaubar ist alles, was auf natürlichem Wege oder unter Zufuhr von Wärme in natürliche Bestandteile zerfällt, wobei bei diesem Schlagwort nur gesagt wird, dass es theoretisch möglich wäre, nicht ob es tatsächlich passiert und schon gar nicht, wie lange dieser Prozess dauert, wenn ich dass nur auf den eigenen Komposthaufen werfe. Eine der aussichtsreichsten Kandidaten unter den Biopolymeren im Folienverpackungsbereich ist die PLA Folie (Poly Lactid Acid).

Biopolymere Verpackungsfolien sind schon seit längerer Zeit auf dem Markt, die Marktanteile sind bis heute allerdings bescheiden. Woran liegt das?

In der Vergangenheit waren drei Gründe ausschlaggebend: einmal das Henne- Ei – Problem zwischen Nachfrage und Kapazitäten, d.h. die Bereitschaft, Kapazitäten aufzubauen, scheiterte an mangelnder Nachfrage, andererseits konnten Großverbraucher nicht umstellen, weil die Versorgung nicht gesichert war.

Zweitens war die Verarbeitbarkeit nicht so gut, wie bei erdölbasierten Kunststoffen und drittens ist die Entsorgung bzw. die Wiederverwertung der Abfälle nicht geklärt. PLA- Folien werden vom Verbraucher, dem so genannten Erst-Entsorger, nicht als solche erkannt und damit in die gelbe Tonne entsorgt, in die sie aber nicht gehören. Und in die Biotonne gehören sie auch nicht, weil der Kompostierungsprozess nicht auf diese Fraktion ausgelegt ist.

Die Verpackungsindustrie ist eine sehr innovative Branche. Wie reagiert der Handel auf biobasierte Produkte wie Folien aus Molke oder Erbsen und was ist das Besondere an dieser Art der Verpackung?

Das sind vor allem sehr, sehr kleine Nischen, die im gesamten Handelsvolumen noch eine untergeordnete Rolle spielen. Die Handelsunternehmen sind daran interessiert, wenn die Hersteller das ausprobieren, weil sie alle nach nachhaltigen Alternativen zu erdölbasierten Materialien suchen und wissen, dass die Nachfrage von Kundenseite steigt. Da aber auch die Preise bei Verpackungen stimmen müssen, werden für die große Masse der Produkte ausgereifte Lösungen und Materialien bevorzugt, die alle Anforderungen erfüllen und die Maschinengängigkeit über Jahre bewiesen haben. Nur in der Massenproduktion wird kostengünstig produziert, Kleinmengen können da nicht mithalten.

Lohnt sich der Einsatz von Bio-Verpackung für den Handel? Markenhersteller, wie Danone sind gezwungen ihre Verpackung vom Markt zu nehmen: Ist das nicht kontraproduktiv für die Einführung von Biokunststoffen im Handel?

Wenn Verbraucher Produkte in entsprechenden Verpackungen nachfragen und kaufen, lohnt sich das für den Handel immer.
Und zum Fall „Danone“: Danone geht durchaus in die richtige Richtung, in dem sie versuchen, erdölbasierte Kunststoffe durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen. Da die Prozesse aber noch nicht so ausgereift und ausgereizt sind, ist die Umweltbilanz momentan noch nicht besser, als beim Einsatz herkömmlicher Kunststoffe. Sie ist aber auch nicht schlechter! Und das ist schon eine gute Botschaft! Außerdem gehen die Angriffe auf Danone wegen der Nutzung landwirtschaftlicher Flächen meines Erachtens am Thema vorbei. Der Einsatz von landwirtschaftlichen Produkten für Verpackungen ist gering und das Ausprobieren nachwachsender Rohstoffe für die Herstellung von Verpackungsmaterialien richtig.

Die Verpackungshersteller entwerfen neue Verpackungen und entwickeln die Produktionsprozesse dafür. Das ist keine leichte Aufgabe. Geringere Materialstärke ist eine Lösung. Sind Biokunststoffe der erwartete Heilsbringer und wie sehen Sie die Zukunft der Biokunststoffe?

Wir kommen langfristig um die Ablösung fossiler Rohstoffe als Produktionsgrundlage für Kunststoffverpackungen gar nicht herum, wenn wir die Vorteile solcher Verpackungen weiter nutzen wollen.

Hierbei geht es aber in erster Linie um den Ursprung der Materialien und nicht so sehr um die Abbaubarkeit. Wenn ich nämlich für die biobasierten Kunststoffe funktionierende Stoffkreisläufe schaffe, bleiben sowohl die Rohstoffe als auch die eingebrachte Energie für uns erhalten. Biologisch abbaubare Produkte müsste ich dagegen immer wieder mit neuem Energieeinsatz produzieren.

Interview: Ingrid Spicker, Erstveröffentlichung www.intermopro.de