Pop-up-Store im Alsterhaus: Warenpräsentation wie in einer Boutique.
Die Sortimentswechsel im Handel kommen immer schneller, doch was jetzt aus den USA immer stärker zu uns kommt, ist noch viel kurzlebiger: Pop-up-Stores öffnen nur für einen Tag oder wenige Wochen. Was mit ein paar Kleiderstangen in Abbruchhäusern als Plattform für junge Designer begann, erfasst nun auch Markenartikler und die Mitte der Innenstädte. Von Anfang an war das Internet entscheidend für die Promotion.
Je schwerer etwas zu bekommen ist, desto begehrenswerter ist es. Und neue Läden wecken das Interesse der Konsumenten. Diese beiden Erfahrungen machen sich die neuartigen Pop-up-Stores zunutze. Die Geschäfte werden binnen weniger Tage hergerichtet, öffnen plötzlich (pop-up) und verschwinden ebenso schnell wieder. Die Einrichtung der auch als „Guerilla-Stores“ bezeichneten Läden ist meist spartanisch, auch an Werbung wird gespart: Kunden wirbt man mit Mund-zu-Mund-Propaganda, mit Webseiten oder in soziale Netzwerken.
Das Ganze wird als Event inszeniert. Drinks und DJs sorgen für gute Stimmung. Die meist jungen Kunden werden von den Produzenten der Ware persönlich beraten. Produzenten – das sind häufig Designer oder Modeschöpfer. Neue Labels machen mit Pop-up-Stores auf sich aufmerksam. Die Ware hängt vor oft kahlen Wänden auf Kleiderstangen. Es sind meist Einzelstücke oder es sind Muster, nach denen man gleich im Laden bestellen und nach Hause liefern lassen kann. Passend zum jeweils inszenierten Lebensgefühl werden auch CDs, DVDs, Bücher oder Accessoires angeboten.
„Etage Eins“-Gründer Freddy Mouchawrab: „Als Plattform für deutsches Modedesign wollen wir die unabhängigen Labels einem breiten Publikum zugänglich machen.“
Die Resonanz ist oft enorm – gemessen am meist kleinen Budget. Blogger schreiben vorab über die kurze Shopping-Möglichkeit und schildern dann ihre Eindrücke vom Event. Die Facebook- und Twitter-Freunde geben Tipps weiter. Auch Journalisten berichten darüber, zunehmend auch seriöse Medien – und auch wir hier auf EuroShop.de.
Der US-Fernsehsender CBS zeigte das „Phänomen Pop-up-Store“ kurz vor Weihnachten in seiner Nachrichtensendung. Präsentiert wurden der erste Kurzzeitstore von ebay in New York und die Saisonläden von Toys R Us und GAP. Was in New York an der Fifth Avenue funktionierte, klappte auch in London: Von 1. bis 5. Dezember 2011 machte ebay einen Pop-up-Store im Westend auf. Ausgestellt wurden potenzielle Weihnachtsgeschenke, welche die Besucher mittels 2D-Barcode-Scan über ihr Mobiltelefon nach Hause bestellen konnten.
Pop-up im Alsterhaus und in der Kleinstadt
Der erste Pop-up-Store in Deutschland öffnete angeblich 2004. Langsam kommt die Entwicklung in Fahrt, Pop-up wird salonfähig. Seit Jahresbeginn präsentieren ausgewählte deutsche Modedesigner ihre aktuellen Kollektionen im „Etage Eins Pop-up.Store im Alsterhaus“. Zusammen mit dem KaDeWe in Berlin und Oberpollinger in München gehört das Alsterhaus am Hamburger Jungfernstieg zur Nobel-Gruppe unter den Kaufhof-Warenhäusern. Das Ambiente ist weit weg von Trash und Kargheit. Die Ladengestaltung mit gezielten Lichtakzenten erinnert eher an eine Boutique. Am 15. März ist alles vorbei. Was dann kommt, ist noch geheim, heißt es Erwartungen weckend auf der Facebook-Seite.
Hotel Sofitel in Wien: Pop-up-Store für zwei Stunden in der Lobby.
„Ein Gewinn für die gesamte Innenstadt“, freut sich Brigitte Engler vom Hamburger Citymanagement, „denn die kleinen besonderen Labels bringen nicht nur Abwechslung und Inspiration, sondern machen die Hamburger City auch unverwechselbar.“ „Etage Eins“-Gründer Freddy Mouchawrab: „Als Plattform für deutsches Modedesign wollen wir die unabhängigen Labels einem breiten Publikum zugänglich machen – mit einem gemeinsamen Auftritt in der City gelingt uns das am besten.“ Vor sechs Jahren hatte er einen Concept Store im Hamburger stilwerk gegründet (www.etage-eins.com). Ohne Umwege über teure Messen und Kommissionsgeschäft konnten dort ausgesuchte Labels einzelne Stangen oder Flächen für ihre mitunter kleinen Kollektionen anmieten. Inzwischen haben über 30 Designer ihre Kollektionen hier präsentiert.
In Coburg, in Nordbayern, weitab der hippen Metropolen, hat eine einheimische Design-Studentin die Pop-up-Idee aufgegriffen. Mit viel Eingenleistung und unterstützt vom örtlichen City-Manager richtete sie eine leerstehende ehemalige Bäckerei her und bot selbstgemachte Accessoires an, darunter Anstecker mit Bratwurst „auf Wunsch auch mit Senf“. Das sei eine gute Idee gegen den Leerstand, findet der City-Manager.
Werbe-Profis übernehmen die Idee
Inzwischen ist es wie bei vielen Entwicklungen aus den Ghettos und Vorstädten: Werbe-Profis übernehmen die Ideen, professionalisieren das Geschäft und verdienen damit viel mehr Geld als die Erfinder. Klein startete zum Beispiel die Österreicherin Sonja Weinstabel. Mit ihrem Label „w?atf – what about the future“ entwickelte sie in Wien ein eigenes Shop-Konzept für Mode, Magazine, Bücher und Design (www.whatatf.com).
Vom 7. bis 18. Dezember 2011 war w?atf zu Gast im Luxushotel Sofitel am Stephansdom. Die Einladung lautete: „Meet you at 6 pm in the lobby!“ Ab 13 Uhr präsentierten Kleiderpuppen in der Lobby eine Ausstellung zu Modedesign von Wiener Newcomern; um 18 Uhr öffnete für zwei Stunden ein Pop-Up-Store, in dem neben dem Modedesign der Ausstellung weitere Teile der Designer sowie Magazine, Bücher, Spa-Produkte und feine Reiseaccessoires angeboten wurden.
In der Sommerpause wurde die Wiener Galerie „Sonnensegel“ zum Pop-up-Store.
Mit einem eigens zusammengestellten Angebot an Mode, Musik, Magazinen, Büchern und Design zog w?atf im Juli 2011 in die großräumige Galerie „Sonnensegel“ ein und füllte dort die Sommerpause. Man bemühte sich um eine Festival-Atmosphäre mit Produktpräsentationen, Performances und Partys.
Viele Markenartikler geben sich ein Image hart am Zeitgeist. Pop-up-Stores passen da offenbar gut ins Konzept. Reebok feierte ein „VIP Pre-Opening“ für seine Schuhkollektion Reetone in München mit einem Pop-up-Store. Zu Gast war Fotomodel und Sängerin Eva Padberg. Die Markenbotschafterin sicherte ein gehöriges Medienecho – und natürlich wurde ein Video von dem Event bei Youtube eingestellt.
Ladenbauer und Shop-Designer mögen über die Entwicklung lächeln, schließlich denken sie langfristiger. Für den Handel sollen sich die Investitionen rechnen. Manches wird jedoch jetzt schon mit viel Aufwand mit Gebrauchsspuren inszeniert und heißt dann Vintage-Look. Auch wenn Pop-up-Stores keine Alternative zum Filialgeschäft sind – der damit entstehende Zeitgeist könnte durchaus abfärben.
René Schellbach, Euroshop.de
01.02.2012
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