Lager-Robotik: Transformation der Einzelhandelslogistik

von Julia Pott

Aufgrund der steigenden Nachfrage im Einzelhandel nach schnelleren und effizienteren Lieferungen ist die Integration von Robotik und Automatisierung in den Lagerbetrieb unerlässlich geworden. Automatisierte Systeme optimieren nicht nur die Logistikprozesse, sondern helfen Einzelhändlern auch dabei, dem Arbeitskräftemangel zu begegnen und ein besseres Kundenerlebnis zu bieten. Führende Einzelhändler wie Coles, IKEA und die Otto Group nutzen modernste Robotertechnologie, um ihre Logistik- und Fulfillment-Abläufe umzugestalten.

Das neue Truganina Customer Fulfilment Centre in Victoria, Australien, das von der australischen Supermarktkette Coles betrieben wird, setzt auf modernste Logistiktechnologie. Die 87.000 Quadratmeter große Anlage ist mit künstlicher Intelligenz, fortschrittlicher Robotik und Automatisierung von Ocado, einem Anbieter von Logistiklösungen, ausgestattet, um den Online-Lebensmitteleinkauf zu optimieren.

Mit mehr als 700 Robotern, die in einem zentralen Knotenpunkt namens „The Hive“ arbeiten, werden Kundenbestellungen schnell ausgeführt, wobei eine typische Bestellung von 50 Artikeln in nur fünf Minuten kommissioniert, verpackt und zur Auslieferung bereit ist. Die Roboter werden von einem KI-gesteuerten „Luftverkehrskontrollsystem“ geführt, das ihre Bewegungen beim Transport der Waren in 3D-Rastern überwacht.

Das neue automatisierte Fulfillment-Center kann über 10.000 Kundenbestellungen pro Tag bearbeiten und verbessert laut Coles die Frische, Verfügbarkeit und Lieferflexibilität der Produkte erheblich. Dazu gehören auch Artikel aus einer hauseigenen Bäckerei und Frischwaren. Tim Steiner, CEO der Ocado Group, sieht dies als einen bedeutenden Meilenstein, nicht nur für Coles, sondern auch für den australischen Fulfillment-Sektor: „Dies ist einer der am schnellsten wachsenden Märkte der Welt für den E-Commerce mit Lebensmitteln, und Coles ist bereits Marktführer im Online-Kanal.“

Als Laie könnte man annehmen, dass die Automatisierung der Entladung von Seefrachtcontainern einfach wäre - schließlich handelt es sich nur um rechteckige Behälter. Raphael Adrian Maier, Group Vice President Supply Chain Management bei der Otto Group, erklärt jedoch in einem Blogbeitrag, dass nicht alle rechteckigen Boxen gleich sind und weist auf viele Herausforderungen hin: „Zwar hat man es mit kubischen Elementen zu tun, was die automatische Entladung eigentlich erleichtern würde. Aber dann kommen eben viele Unwägbarkeiten ins Spiel. Zum einen lässt sich nicht feststellen, in welcher Art von Container die Ware beispielsweise aus Shenzhen geliefert wird. Dann sind die Container vielleicht ein bisschen verbeult. Oder die Ware ist verrutscht. Manchmal kann der Lkw auch nicht so abgestellt werden, dass Maschinen eingesetzt werden können. Kurzum, man muss mit unvorhergesehenen Situationen fertig werden, die eine automatische Entladung bisher unmöglich machten.“

Automatisierungslösungen müssen ein hohes Maß an Flexibilität und Manövrierfähigkeit bieten, um eine Vielzahl von Situationen bewältigen zu können. Wie passend, dass eine der neuen Lösungen, die die Otto Group kürzlich eingeführt hat, StretchTM heißt, ein Roboter von Boston Dynamics. Stretch passt sich mit seinem Roboterarm und seinem Saugnapfsystem selbstständig an wechselnde Bedingungen an und bewältigt effizient eine große Vielfalt an Behälterformen und -größen. Seine fortschrittlichen Kamera- und Sensorsysteme ermöglichen es ihm, in Räumen zu navigieren, Objekte zu manipulieren und Förderbänder zu steuern, um einen reibungslosen und effizienten Entladeprozess zu gewährleisten.

IKEA hat die Lagerautomatisierung durch den Einsatz autonomer Drohnen in der Bestandsverwaltung auf ein neues Niveau gehoben. Das Programm wurde 2021 in Zusammenarbeit mit dem Drohnensystemanbieter Verity gestartet. Seitdem ist die IKEA-Flotte von über 250 Drohnen an über 73 Standorten in neun Ländern im Einsatz und hat nach Angaben des globalen Möbelhändlers die Bestandsgenauigkeit und betriebliche Effizienz drastisch verbessert.

Die Drohnen, die mit KI-basierten Algorithmen und einer Technologie zur Hinderniserkennung ausgestattet sind, führen im Voraus geplante Flüge durch, um die Lagerorte der Produkte zu identifizieren und zu fotografieren, insbesondere in hoch gelegenen und schwer zugänglichen Bereichen des Lagers. Das drohnengestützte Inventarsystem steigert nicht nur die Produktivität und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden, indem es die Notwendigkeit anstrengender physischer Aufgaben verringert, sondern liefert auch Echtzeitdaten für sofortige Maßnahmen.

Nach erfolgreichen Tests im Distributionszentrum in Winterslag, Belgien, kündigte IKEA im August 2024 Pläne an, diese Technologie auf ganz Europa und Nordamerika auszuweiten. Weitere Upgrades, wie z. B. die Inspektion von Stückgut und eine verbesserte Datenanalyse, sind ebenfalls in Planung. Die Drohnen, die rund um die Uhr im Einsatz sind, verbessern die Zusammenarbeit mit menschlichen Mitarbeitenden und machen herkömmliche manuelle Bestandsprüfungen überflüssig.

Zurück zur Otto Group: Das Unternehmen testet eine weitere innovative Lösung, die indirekt den Fulfillment-Betrieb unterstützt: Fließende Logistikprozesse sind auf funktionierende Technik angewiesen, darauf, Maschinenstillstände zu reduzieren oder im Idealfall ganz zu vermeiden. An dieser Stelle kommt die vorausschauende Wartung ins Spiel.

Der vierbeinige Roboter Spot, eine weitere Innovation von Boston Dynamics, wird in den Lagern der Otto Group mögliche Probleme aufspüren. Ausgestattet mit Wärmekameras und Geräuschdetektoren überwacht Spot die Maschinen in den Fulfillment-Zentren und sorgt für einen reibungslosen Betrieb. Außerdem kann Spot analoge Zähler auslesen und akustische Signale von Luft- und Gaslecks erkennen. In den nächsten zwei Jahren plant die Otto Group, eine Flotte von Spot-Robotern an etwa zehn Standorten einzusetzen, wo sie autonome Missionen durchführen und maschinelle Lerndaten sammeln werden, um die Sicherheit und Effizienz ihrer Logistikzentren weiter zu verbessern.

Dank seiner Mobilität ist Spot in der Lage, schwer zugängliche Stellen zu erreichen, auf mögliche Schäden zu achten und kostspielige Anlagenausfälle zu vermeiden. Laut Boston Dynamics kann der Roboter dynamisch sein Gleichgewicht halten, Hindernissen ausweichen, Treppen steigen und verschiedene Arten von schwierigem Terrain durchqueren.

Einzelhändler wie Coles, Otto Group und IKEA zeigen, wie der Einsatz von Robotik und Automatisierung in Lagern die betriebliche Effizienz steigern, die Kundenzufriedenheit verbessern und dem Arbeitskräftemangel begegnen kann. Diese Technologien, von KI-gesteuerten Fulfillment-Systemen bis hin zu autonomen Robotern und Drohnen, revolutionieren nicht nur die Logistik, sondern ebnen auch den Weg für eine nachhaltigere und skalierbarere Zukunft im Einzelhandel.