Papierbasierte Gewichtssensoren verwandeln Regale in intelligente Regale

PaperWeight AI ist ein Start-up aus Portugal, das aus AlmaScience, einem Innovationslabor für nachhaltige Technologien und grüne Elektronik, hervorgegangen ist. Das Ziel des Forschungsunternehmens ist es, natürliche Materialien wie Zellulose und Papier in funktionale elektronische Geräte umzuwandeln. PaperWeight AI hat einen einzigartigen Regal-Ereignis-Sensor entwickelt, der vollständig aus Papier besteht.

Während der EuroCIS 2024 besuchten wir ihren Stand im Start-up hub, wo sie uns ihre bestechend einfache und doch effektive Lösung vorstellten – und jetzt, sechs Monate später, haben wir Dr. Yoni Engel, den CEO von PaperWeight AI, nach dem aktuellen Stand gefragt.

Yoni, es ist eher ungewöhnlich, ein Papierprodukt auf einer Fachmesse für Einzelhandelstechnologien zu sehen. Was ist das Besondere an eurem Papier?

Yoni Engel: Unser Produkt sieht zwar aus wie normales Papier und fühlt sich auch so an (es besteht auch fast vollständig aus Papier), aber wir haben eine hauchdünne Schicht gedruckter Elektronik integriert. Dadurch ist das Papier in der Lage, physischen Druck zu erkennen und ihn in ein Gewichtsmaß umzuwandeln. Im Wesentlichen fungiert dieses Papier als ein sehr eleganter Gewichtssensor, der als Grundlage für intelligente Regalsysteme dienen kann.

Und diese intelligenten Regale können dann in einen Smart Store integriert werden?

Engel: Ganz genau. Unser Regal-Ereignis-Sensor lässt sich mit minimalem Aufwand in das bestehende Regalsystem eines Geschäfts einbauen. Wir brauchen weniger als 5 Minuten für die Installation an einem Regal. Derzeit liegt das Mindestgewicht, das die Sensoren erkennen können, bei 20 Gramm, was für die meisten Anwendungsfälle im Einzelhandel wie Lebensmittel, Kosmetika, Pharmazeutika etc. ausreichend ist. Als Forschungsunternehmen arbeiten wir jedoch aktiv daran, diese Mindestgewichtsschwelle zu senken. Das Papier kann auf jeder flachen Oberfläche angebracht werden, z. B. auf Regalen, Tischen, Theken, POS-Displays, Pop-up-Systemen und sogar Kühlmöbeln.

Der Regal-Ereignis-Sensor kann mit der Planogramm-Software des Geschäfts verbunden werden. Die Daten werden über eine Regalsteuerungseinheit per Wi-Fi an die Cloud übermittelt. So wird jedes Regal im Grunde genommen zu einem IoT-Gerät. Von diesem Zeitpunkt an erhalten Einzelhändler einen vollständigen Echtzeit-Einblick in die Regalaktivitäten: Werden Produkte hinzugefügt, entfernt oder falsch platziert?

Wie können Einzelhändler diese Informationen aus den Regalen nutzen?

Engel: Es gibt zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. Die offensichtlichste ist die Bestandsverwaltung und die Regalauffüllung. Das System kann beispielsweise Warnungen senden, wenn ein Produktbestand im Regal zur Neige geht, und die Mitarbeitenden auffordern, es aufzufüllen, bevor es leer ist.

Das System unterstützt auch das Planogramm-Management. Einzelhändler können Regeln und KPIs für die Regalverfügbarkeit festlegen und sich dabei auf reale Daten stützen, um die Verkaufsleistung im Geschäft zu messen. So lässt sich leichter erkennen, aus welchen Regalplatzierungen mehr Produkte verkauft wurden, da sie oft an verschiedenen Stellen im Geschäft verfügbar sind – quasi ein A/B-Test.

Da Self-Checkout und Self-Scanning immer beliebter werden, ist die Diebstahlprävention eine weitere wertvolle Funktion. Die Regal-Ereigniserkennung kann mit einem Timer kombiniert werden, um Warnmeldungen auszulösen. Wenn ein Kunde einen Artikel entnimmt, ihn aber nicht innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens – z. B. 10 Sekunden – scannt, könnte das auf einen Fehler oder eine Diebstahlabsicht hindeuten.

Ein weiterer Anwendungsfall ist das Omnichannel-Marketing. Die Gewichtssensoren können Multimedia-Inhalte am Regal auslösen und so ein dynamischeres und ansprechenderes Einkaufserlebnis schaffen. Wenn Sie eine Sonderaktion mit einem zeitlich begrenzten POP-Display durchführen, können Sie überwachen, wie viele Artikel entnommen, wie viele zurückgelegt und wie viele letztendlich verkauft werden.

Und schließlich können Sie die Sensoren zur Steuerung der dynamischen Preisgestaltung nutzen, um die Preise in Echtzeit an die Nachfrage und den Bestand anzupassen.

Kann man ein Sensorpapier für verschiedene Produkte verwenden?

Engel: Ja, das System kann mehrere Produkte auf der Grundlage des Planogramms überwachen und sogar feststellen, ob sich die Produkte vorne, der Kundschaft zugewandt, oder im hinteren Bereich befinden. Wenn Artikel im vorderen Bereich aufgebraucht sind und seit einiger Zeit nicht mehr entnommen wurden, alarmiert das System das Personal, um die Produkte vom hinteren in den vorderen Bereich zu verschieben, damit sie für die Kundinnen und Kunden sichtbar und zugänglich bleiben.

Was würde passieren, wenn jemand ein Produkt in ein anderes Regal stellen würde?

Engel: Das System würde Sie darauf aufmerksam machen, dass in einem bestimmten Regal ungewöhnliche Aktivitäten stattfinden, die darauf hindeuten, dass ein Produkt falsch platziert wurde. Unsere Technologie bietet jedoch keine spezifische Produkterkennung, so dass wir nicht in der Lage wären, Ihnen beispielsweise zu sagen, dass ein Mars-Schokoriegel in ein Regal gestellt wurde, das für KitKat-Artikel vorgesehen ist. Für diese Detailgenauigkeit wäre eine komplexere und kostspieligere Lösung erforderlich.

Was sind die Vorteile Ihrer papierbasierten intelligenten Regallösung?

Engel: Unser Papier ist im Vergleich zu herkömmlichen elektronischen Wägesystemen deutlich günstiger. Außerdem lässt es sich schnell und einfach in den Geschäften installieren, da es in das vorhandene Mobiliar integriert werden kann. Das Papier ist in verschiedenen Größen und Formaten erhältlich. Wenn keine der Katalogoptionen in Ihr Geschäft passt, können Sie uns Ihre Regalmaße mitteilen, und wir liefern Ihnen maßgeschneiderte Bögen.

Das Papier lässt sich auch problemlos mit einer Schutzschicht oder gebrandeten Oberfläche überziehen, so dass es sich nahtlos in das Design Ihres Geschäfts integrieren lässt. Sie können es mit fast jedem Material abdecken, ohne seine Leistung zu beeinträchtigen.

Ein weiterer, zunehmend wichtigerer Vorteil ist, dass das Papier vollständig recycelbar ist. Die minimale Menge an Elektronik, die verwendet wird, wird nicht als Elektroschrott eingestuft, was das Papier zu einer weitaus nachhaltigeren Lösung im Vergleich zu anderen Systemen macht, die stark auf Elektronik angewiesen sind.

Wie groß ist das Interesse an Ihrer Lösung im Einzelhandel?

Engel: Derzeit ist uns keine vergleichbare Lösung auf dem Markt bekannt, so dass wir glauben, dass diese Technologie das Potenzial hat, die Einzelhandelsbranche maßgeblich zu beeinflussen. Als wir die Gelegenheit nutzten, unser Produkt auf der Start-up-Bühne der EuroCIS vorzustellen, war das Feedback sehr positiv. Wir haben beträchtliches Interesse von Einzelhändlern, Systemintegratoren, Anbietern von autonomen Geschäften und anderen erhalten. Vor allem Unternehmen, die sich auf Computer Vision spezialisiert haben, haben Interesse gezeigt, denn durch die Kombination von Kameraerkennung mit unserer Lösung können Einzelhändler präzise Echtzeit-Einblicke in das Geschehen in ihren Regalen gewinnen. Wir führen intensive Gespräche mit großen Lösungsanbietern sowohl für Automated Stores als auch für Diebstahlprävention. Außerdem starten wir derzeit ein Pilotprojekt mit einem der größten Einzelhändler Portugals.

Welche Erfahrungen haben Sie bei der EuroCIS gemacht?

Engel: Bei EuroCIS haben wir viele Unternehmen beobachtet, die KI- und Analyselösungen für intelligente Geschäfte anbieten. Unsere Lösung ergänzt diese, indem sie eine Datenbank für die Bestandsverwaltung bereitstellt. Wir sehen uns nicht als Konkurrenten, sondern wollen mit diesen Unternehmen zusammenarbeiten, um die Leistung ihrer Lösungen zu verbessern. Ich glaube, dass in der Technologiebranche – insbesondere im Bereich der Einzelhandelstechnologie – Zusammenarbeit der Schlüssel ist. Je mehr wir kooperieren und je mehr wir uns dem Markt öffnen, desto größer ist der Wert, den wir dem Einzelhandel bieten können.