Künstliche Intelligenz in Apotheken: Effizientere Prozesse, bessere Versorgung

Zwischen Tinkturen und Tabletten ist bald noch etwas anderes in Apotheken zu finden: künstliche Intelligenz. Denn KI bietet zahlreiche Möglichkeiten, die Abläufe in Apotheken effizienter zu gestalten und gleichzeitig die Patientenversorgung zu verbessern. Insbesondere im Bereich der Vor-Ort-Apotheken eröffnet der gezielte Einsatz von KI neue Perspektiven, um Beratung, Versorgung und Administration zeitgemäß zu unterstützen.

KI kann Apothekenpersonal durch intelligente Entscheidungshilfen unterstützen – zum Beispiel bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente oder im Rahmen patientennaher Services wie „Pharmacy First“. Bei leichten Beschwerden ermöglichen virtuelle Konsultationen mithilfe KI-gestützter Systeme eine zügige Ersteinschätzung und Entscheidungshilfe. Zudem können KI-gestützte Anwendungen dazu beitragen, die Therapietreue zu verbessern – etwa durch automatisierte Erinnerungen, Benachrichtigungen und patientenfreundliche Informationen zur richtigen Einnahme von Medikamenten.

Auch im Tagesgeschäft in der Offizin bieten KI-Systeme handfeste Vorteile. Plattformen auf KI-Basis automatisieren bereits heute zahlreiche Prozesse, etwa bei der Rezeptnachbestellung, bei Genehmigungsverfahren mit Krankenkassen (Prior Authorizations) oder bei der Kommunikation mit Patientinnen und Patienten. Dies reduziert den administrativen Aufwand erheblich und schafft Freiräume für pharmazeutische Beratung.

Besonders relevant sind auch KI-gestützte Analysen, die vorhersagen können, welche Patientinnen und Patienten ein Risiko für Non-Adhärenz oder Komplikationen aufweisen. So lassen sich gezielte Maßnahmen frühzeitig einleiten. Zudem können Systeme auf Basis von Symptomen und Medikationshistorie Empfehlungen zu rezeptfreien Produkten (OTC) geben, sodass Apothekermitarbeitende sich stärker auf ihre klinischen Kompetenzen und persönliche Beratung konzentrieren können.

KI kann auch die internen Verwaltungsprozesse optimieren. In einem Praxisbeispiel aus den USA sortiert ein KI-basiertes System automatisch eingehende Faxe, liest Rechnungen und erkennt Abrechnungsoptionen – Tätigkeiten, die früher manuell vom Apothekenteam durchgeführt wurden. Ebenso lassen sich Versicherungsanträge und Bestandsmanagement über smarte Systeme automatisieren, was wöchentlich viele Stunden Arbeitszeit einspart.

Mit KI-gestützten Analysetools können Apotheken auch das Kaufverhalten und die individuellen Gesundheitsbedürfnisse ihrer Kundinnen und Kunden besser verstehen – und darauf basierend gezielte, personalisierte Angebote unterbreiten.

Noch ist künstliche Intelligenz in der Apothekenlandschaft ein neues Experimentierfeld. KI-Anwendungen befinden sich in der Entwicklung oder in der Testphase. Um die Branche vorausschauend aufzustellen, hat die Royal Pharmaceutical Society (RPS) eine neue Richtlinie veröffentlicht, die beschreibt, wie KI sinnvoll zur Unterstützung pharmazeutischer Dienstleistungen eingesetzt werden kann. Die folgenden Kernpunkte fassen einige Empfehlungen der RPS an Apotheken zusammen:

• Kompetenzentwicklung: Apothekerinnen und Apotheker sollten über die Chancen und Risiken von KI informiert werden, entsprechende Inhalte müssen in die Ausbildung integriert werden. Lernzeiten und Weiterbildungsmöglichkeiten sollten im Berufsalltag zur Verfügung stehen.
• Sensibler Umgang mit Daten: Beim Einsatz von KI ist größte Vorsicht beim Teilen von Patienten- oder personenbezogenen Daten mit Drittanbietern geboten.
• Transparenz über KI-Nutzung: Patientinnen und Patienten müssen darüber informiert werden, wenn KI in pharmazeutische Entscheidungen einbezogen wird – einschließlich der Grenzen von KI-Kompetenzen.

Die Entwicklung zeigt deutlich: Ohne digitale Technologien wird es für Apotheken zunehmend schwierig, wettbewerbsfähig zu bleiben. Laut dem Apothekenkonjunkturindex APOkix des IFH KÖLN sehen 86 Prozent der befragten Apothekeninhaberinnen und -inhaber darin eine entscheidende Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit ihrer Betriebe. 77 Prozent glauben, dass KI die Qualität der Arzneimittelversorgung verbessern kann. Dennoch nutzen aktuell nur 13 Prozent bereits KI in ihrer Apotheke – ein klares Zeichen für ungenutztes Potenzial.

Gleichzeitig dürfen bei aller technologischen Euphorie die menschlichen Aspekte der Versorgung nicht in den Hintergrund treten. Eine Studie der Health Foundation zeigt: Über die Hälfte der Patientinnen und Patienten (53 %) befürchten, durch KI weiter von medizinischem Fachpersonal entfernt zu werden. Auch 65 Prozent des befragten NHS-Personals teilen diese Sorge in Bezug auf ihre Patientenbindung. Das verdeutlicht, wie wichtig es ist, KI nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung menschlicher Kompetenz zu verstehen.

Automatisierung kann Routinetätigkeiten erleichtern – und damit Raum schaffen für das, was zählt: persönliche Zuwendung, Aufklärung und echte Gesundheitsberatung. Der Schlüssel liegt in der klugen Gestaltung und Einführung von KI-gestützten Systemen, die Apothekenmitarbeitende entlasten, aber niemals ersetzen. Vorteile und Nachteile, Möglichkeiten und Gefahren müssen untersucht und abgewogen werden. Die Royal Pharmaceutical Society bringt es auf den Punkt: „Da KI-Tools bereits in alltägliche Geräte und einige klinische Praktiken integriert sind, müssen wir die Bedeutung des Bewusstseins und der informierten Entscheidungsfindung unter Apothekern betonen, um die Vorteile und Risiken des KI-Einsatzes in der Apothekenpraxis zu steuern.“